Toxikologie chinesischer Arneien

Von: "Johannes Schmidt" schmidt@paracelsus-heute.ch
An: Margot.Spohn@swissmedic.ch
Cc: "Ying Shao" yingshao@greenmail.ch
Gesendet: Dienstag, 29. November 2011 10:11
Betreff: Toxikologie chinesischer Arneien


Sehr geehrte Frau Spohn,

Weil wir uns als Autoren eingehender mit dem Asarum-Verbot befasst haben, ist uns der eMail-Wechsel über die TAS-Liste und die toxikologischen Überlegungen zu chinesischen Arzneien zugestellt worden.

Wir kommen zum Schluss - als Klinischer Epidemiologe und als Pharmazeutin -, dass die Beurteilung der Gefährlichkeit der in der Chinesischen Medizin verwendeten Asarum-Präparationen nach konventioneller toxikologischer Lesart ungeeignet und falsch ist (1). Nicht nur, weil die Konzentration von Aristolochiasäure weitgehend unbedenklich ist, sondern weil Asarum wie jede Arznei eine richtige Indikation braucht. Die Patientensituation macht es aus, ob etwas unerwünscht toxisch wirkt oder im Gegenteil als Heilmittel. Das ist die Natur der Sache. Es ist deshalb das ewige Handwerk und die Kunst des Arztes, mehr oder weniger toxische Arzneien richtig indiziert zu verwenden, wo sie mehr nützen als schaden. In der Chinesischen Medizin kommt dazu, dass auch die wirtsbezogenen Effektmodifikation eine entscheidende Rolle spielt, die Konstitution des Patienten entscheidet mit, ob ein Mittel toxisch wirkt oder nicht (1). Und die Tradition hat erwünschte Wirkungen von Einzelarzneien durch die Kombination mit anderen Arzneien in entsprechenden Rezepturen verstärkt und gleichzeitig toxische Wirkungen durch anderen Arzneien ausgeglichen bzw. abgedämpt. Toxisch ist nicht schon toxisch, es kommt darauf an. Wir Ärzte lernen zu differenzieren, um den Nutzen zu optimieren.

Wenn Mittel falsch verwendet und Kontraindikationen verletzt werden, kann Schaden entstehen. Das ist ja auch mit westlichen Medikamenten der Fall, ohne dass dies zu einem Verbot führt. Ungeeignete toxikologische Beurteilungen und Verbote wie bei Asarum nehmen uns wertvolle Mittel aus der Hand. Es ist so kontraproduktiv wie beispielsweise ein Verbot eines Zytostatikums, weil dieses (bei falscher Verwendung) auch schadet und toxisch ist. Ohne die Berücksichtigung von Interaktionen - mit dem Wirtszustand bzw. Patientenkonstitution und mit anderen Substanzen - und ohne Nutzen-Risiko-Überlegungen sind toxikologische Fakten sinnlos. Es ist immer Aufgabe des Arztes, das Für und Wider abzuwägen. Schliesslich ist sogar Wasser toxisch (Wasserintoxikation), wenn es falsch verwendet wird.

Wir möchten anregen, dass Asarum als Beispiel einer falschen behördlichen Beurteilung nochmals genau überprüft wird. Auch wenn toxikologische Überlegungen durchaus wichtig sind, taugen sie keineswegs, eine Arznei (abschliessend) zu beurteilen. Dies bleibt Aufgabe des Arztes unter Berücksichtigung der Patientensituation. Allenfalls kann eine besondere Rezeptpflicht den Einsatz potentiell toxischer Arzneien regeln, nicht aber ein Verbot. Wir glauben, dass unsere Analyse des Beispiels Asarum gut aufzeigt, wie eine adäquatere Beurteilung zum Nutzen der Patienten zu geschehen hätte. Auch andere potentiell toxische Arzneien brauchen eine praxisgerechte Beurteilung. Wie gesagt ist eine allfällige Rezeptpflicht eine mögliche und sinnvollere Massnahme.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. sc. nat. Ying Shao
Dr. med. Johannes Schmidt
Praxiszentrum Meinradsberg und Stiftung Paracelsus heute

1) http://www.paracelsus-heute.ch/cms/aktuell/stiftung_aktuell_Asarum.php


Anschrift:

Dr. med. Johannes G. Schmidt
Allgemeinmedizin, Altchinesische Medizin,
Klinische Epidemiologie (Nutzensbeurteilung)
Praxiszentrum Meinradsberg
http://meinradsberg.com
Stiftung Paracelsus heute http://paracelsus-heute.com
Ilgenweidstr. 3 CH-8840 Einsiedeln/Schweiz
siehe auch:
www.paracelsus-heute.ch