Die Verdoppelung der Melanom-Diagnosen ist ein unglücklicher Artefakt der falschen Bemühungen
 
Leserbrief in der Ärztezeitung

Melanom-Kampagnen verhüten den Krebstod nicht. Schon 1995 war zu sehen, dass die Melanom-Früherkennung nachteilig ist, denn die Zahl der Sterbefälle war nach Hautkrebs-Kampagnen jedes Mal gleich geblieben bei unvorteilhafter Zunahme der Zahl der entdeckten Melanome.* Denn histologisch bösartig bedeutet nicht klinisch bösartig, und die Melanom-Inzidenz hat sich verdoppelt, indem die klinisch gutartigen Fälle dazugekommen sind, die früher unentdeckt blieben. Ein Mensch mit einem gutartig verlaufenden Melanom blieb früher von der Diagnose glücklicherweise noch verschont, um am Schluss an etwas Anderem zu sterben. Die Verdoppelung der Melanom-Inzidenz in den letzten 20 Jahren ist iatrogen. Alarmierend ist also nicht die artifizielle, unechte Melanom-Zunahme, sondern das falsche Tun der Ärzte. Mit selektiven Daten, Confounding-Fehlern und Konsensus-Verlautbarungen ohne echte Evidenz wird überdies die Sonne angeschuldigt, damit sich neue, widersinnige Kampagnen rechtfertigen lassen. In wissenschaftlich seriösen Verlautbarungen gilt die Ursache des Melanoms als unklar und als wahrscheinliche Folge einer genetischen Anfälligkeit.* Wir sind ein Beruf, der den Menschen Gesundheit vermitteln will und nicht unnötige Überdiagnosen und falsche Ängste. Der Berufsstand der Ärztinnen und Ärzte muss die Ohnmacht ertragen können, dass sich das Leiden nie ganz abschaffen lässt. Primum nihil nocere ist die zeitlose Mahnung, die Situation der Patienten nicht durch Eifer und Kurzwissen zu verschlimmern. Eine Stärkung der sogenannten Prävention durch ein neues Gesetz ist derzeit ein Fehler, den die FMH ebenso unnötig verfolgt wie schon das Waffengesetz.

Dr. med. Johannes Schmidt
Stiftung Paracelsus heute, Einsiedeln