Die angebliche Lehrmeinung hat es nie gegeben, dass das Brustkrebsscreening die Zahl der Brustoperationen reduzieren würde. Vielmehr haben akademischer Profit, Achtlosigkeit und Wunschdenken dazu geführt, dass die langbekannte Brustkrebszunahme durch das Screening von den meisten einfach ignoriert worden ist. Man hat ignoriert, dass das Brustkrebsscreening ein Glücksspiel ist, bei dem viele verlieren (und durch Überdiagnose belastet werden) und nur ganz wenige vielleicht gewinnen.
Managed Care wird erst dann wirklich relevant, wenn der Verzicht auf eine falsche Nullrisiko-Medizin und ihre Nebenwirkungen das Hauptanliegen werden. Also eine horizonate Integration des inzwischen in grossen Bibliotheken angehäuften Wissens über Nutzen und Nebenwirkungen. Was nützt eine vertikal gut und schlank organisierte "Care", wenn diese den Patienten und dessen Gesundheit belastet, weil angebliche falsche "Lehrmeinungen" die Köpfe beherrschen? In der Cochrane Library und in Lehrbüchern* ist das Brustkrebsscreening immer als insgesamt nachteilig dargestellt worden, weil es zu unerwünschter Überdiagnose führt. Das Brustkrebsscreening ist eines von zahlreichen Beispielen unnützer Medizin.
Kostspielige Gesundheitsversprechen, die nicht wahr sind, bilden die wichtige Herausforderung der Managed Care und der Hausarztmedizin. Kosteneinsparungen können sicherlich ein willkommenes Ziel sein, aber primär geht es um eine echte, trugschlussfreie Qualität der Medizin - primum nihil nocere.
Dr. med. Johannes Schmidt
* Schmidt JG. Früherkennung und Umgang mit Risikofaktoren. In: Kochen MM, ed. Allgemeinmedizin und Familienmedizin (Lehrbuch Duale Reihe, 3. vollst. überarbeitete Aufl.). Thieme Verlag, 2006; 25-38